Wie kann Resilienz durch Innovation und Agilität in Krisenzeiten gestärkt werden? Bei einer Konferenz im Januar diskutiert diese Frage Mit-Organisator Philipp Aerni mit prominenten Persönlichkeiten in Zürich und Baden. Für den Direktor des Zentrums für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit (CCRS) steht dabei Mut zur Innovation im Fokus.
(CONNECT) Vor rund 40 Jahren hat der Soziologe Niklas Luhmann mit der Veröffentlichung seines Buches „Ökologische Kommunikation“ für helle Aufregung in der aufkommenden Umweltbewegung gesorgt. Er kritisiert darin die Moralisierung der Umweltdiskussion, welche letztlich zu einer Angstkommunikation führe, die sinnstiftend sein mag, aber am Ende zu Handlungsunfähigkeit führe. Angst hat insofern mit Moral zu tun, als derjenige, der Angst hat, oder für andere Angst hat, sich auch moralisch im Recht fühlen und entsprechend Forderungen an die Gesellschaft stellen darf. Doch das mündet dann meistens in politischem Aktivismus, der kaum je Wirkung zeigt in den täglichen Entscheidungen im Privat- wie auch im Berufsleben.
Moralappelle führen zu Blockaden
Niklas Luhmann erwies sich mit dieser Beobachtung als geradezu prophetisch, denn ein politischer Kurswechsel in Krisenzeiten drängt sich immer stärker auf, um die Resilienz der Schweiz zu stärken. Doch dieser kann nicht gelingen durch Moralappelle und die populäre Angstkommunikation an den Rändern des politischen Spektrums. Sie führt stattdessen zu unauflösbaren Blockaden, welche die Entscheidungskosten ins Unendliche erhöhen.
Mythische Bilder in der Nachhaltigkeitsforschung haben wohl auch zu einer Angst vor Gleichgewichtsverlust geführt, denn sowohl im Bereich der Ökologie wie auch der Umweltökonomie herrscht immer noch der Glaube vor, dass sich Mensch und Umwelt ursprünglich in einem Gleichgewicht befanden, das nun aber akut durch den wirtschaftlichen und technologischen Wandel gefährdet sei. Die Erzählung wirkt aus Religionsperspektive überzeugend, denn sie passt zum Glauben an den Sündenfall. Natur und Kultur waren jedoch noch nie im Gleichgewicht, sondern reagieren ständig auf sich verändernde Bedingungen. Sie folgen den Prinzipien der Evolution und lassen sie daher nicht beliebig steuern. Das gilt insbesondere für die dynamischen und komplexen Wirtschaftsökosysteme, welche in der Schweiz über die vergangenen zwei Jahrhunderte aufgebaut wurden. Sie haben unzählige Krisen überstanden und damit auch die Resilienz der Gesellschaft als Ganzes gestärkt, denn es sind lösungsorientierte Lernsysteme.
Lösungsorientierte Lernsysteme stärken die Resilienz
In diesen Systemen wird deutlich, dass der Mut zur Innovation das beste Rezept ist, um unerwartete ökologische, ökonomische, demographische oder geopolitische Herausforderungen bewältigen zu können. Die Schaffung einer wirtschaftlich erfolgreichen Innovation gelingt in einem komplexen Wirtschaftssystem jedoch kaum noch im Alleingang. Es braucht stattdessen eine pragmatische Kooperation mit lokalen Kunden, Investoren und Behörden - aber auch mit zahlreichen nationalen und internationalen Akteuren, welche für das Gelingen der Innovation eine zentrale Rolle spielen.
Diese Zusammenarbeit beruht auf der Erkenntnis:
Treiber nachhaltiger Veränderung ist konkrete Aktion und nicht bloss Aktivismus.
Die Konferenz „Building Resilience in the Age of Uncertainty“, welche vom CCRS in Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik organisiert wird, soll diese pro-aktive Verständnis von Resilienz in Krisenzeiten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Sie findet am 15. und 16. Januar 2026 in Zürich an der ETH sowie in Baden statt.
Wirtschaftsregion Baden setzt Krisen Innovation entgegen
Die Wirtschaftsregion Baden ist ein Paradebeispiel für ein dynamisches und historisch gewachsenes Wirtschaftsökosystem, das auf Krisen stets mit Innovation reagiert und dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit wie auch seine Nachhaltigkeit gestärkt hat. Ihre Akteure haben durchaus eine gemeinsame Wertebasis, welche geprägt ist von Unternehmertugenden und einer Agilität, welche auch stetig die Eingriffskompetenz erhöht hat.
Gemäss Luhmann sind Eingriffskompetenzen der Schlüssel, um ein Wirtschaftssystem in einem instabilen Umfeld stabilisieren zu können. Sein Buch „Ökologische Kommunikation“ ist daher aktueller denn je für Entscheidungsträger in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die nach wie vor im Sinne einer Verantwortungsethik agieren und der Versuchung einer bequemen Gesinnungsethik, die primär auf einer Angstkommunikation beruht, widerstehen.
Um es mit den Worten eines zeitgenössischen Soziologen wie Achim Nassehi auszudrücken: Die Gesellschaft kann sich nicht gegen die Wirtschaft transformieren, sondern nur mit ihr, in ihr und mit ihren jeweils eigenen Mitteln. Die Konferenz wird erläutern, was dies konkret bedeutet.
Philipp Aerni ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft Freiburg, Direktor des Center for Corporate Responsibility and Sustainability (CCRS) sowie Head of Science and Public Policy am Institut für Plant Microbial Biology (IPMB) der Universität Zürich. Er ist zudem federführend bei der auf KMU fokussierten Rating- und Reportingplattform esg2go. In den vergangenen Jahren hat er sich vor allem mit der Rolle von Wissenschaft, Technologie und Innovation für eine nachhaltige Entwicklung beschäftigt. Vor seiner Ernennung zum Direktor des CCRS hat Dr. Aerni an der Harvard Universität, der UZH und ETH Zürich, der Universität Bern sowie bei der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gearbeitet.
Z-Forum on Sustainability and Innovation | 15. & 16 Januar 2026 (Zürich & Baden)
Mit der Konferenz haben sich die Organisatoren zum Ziel gesetzt, die Schweizer Wirtschaftstradition mit einer globaler Zukunftsperspektive zu verbinden. Diskutiert wird, wie im Zeitalter der Unsicherheit Resilienz aufgebaut werden kann. Dazu sind Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik sowie auch Investierende eingeladen, gemeinsam Strategien zu erörtern, die eine chancenorientierte Führung in Zeiten des Umbruchs prägen werden. Es sprechen neben Mitorganisator Philipp Aerni unter anderem Staatssekretärin Martina Hirayama, Wissenschaftlerin und Autorin Keyu Jin, Pascale Bruderer von Stablecoin oder auch Nora Teuwsen, Leiterin von ABB Schweiz. >Mehr
